Erzählungen

Tobit und Rafael und Asmodai und Sara (und ein Fisch)

Ich lande in der Sakristei einer Kirche. Sankt Peter und Paul. Eine alte Kirche, die den Weihrauchduft von 900 Jahren in ihren Mauern gesammelt hat. Und der Prediger drückt mir ein kleines bronzenes Relief in die Hand. Er mag mich. Und ich glaube ganz doll fest an Gott. Ihm zuliebe. Er hat mich ja eingefangen ins Christennetz – und meine Eltern natürlich auch.

Das Bild zeigt mich. In Begleitung eines Engels. Raphael. Ich trage den Fisch schon in der Hand. Beide sind wir mit Wanderstöcken ausgestattet und also auf dem Weg zu den Verwandten, die das Geld haben. Aber für die ganze Geschichte muss ich den Fisch nochmal kurz in Wasser zurückwerfen.

Mein Vater, der alte Tobit, war mit seinen Naftalibrüdern in assyrische Gefangenschaft geraten. Salmanassar, der alte König, konnte noch ganz gut mit ihm, obwohl Papa seinen Grundsätzen treu war. Er war derjenige, der aufstand und etwas tat, sonst keiner. Der nächste König Sanherib konnte nicht so gut mit ihm und der nächste konnte wieder gut mit ihm. Papa Tobit ist ständig aufgestanden und hat irgendwas gemacht. Tote zu begraben war sein liebstes Hobby. Da wird man schmutzig dabei und wer schmutzig ist, sollte lieber draußen bleiben. Blieb er auch, der alte Papa Tobit. Und da passierte es. Die Sperlinge kamen. Kinder, die Sperlinge! Nehmt euch vor Sperlingen in acht! Mehrere an der Zahl. Und was taten sie? Sie kackten. In Tobits Augen. Der draußen schlief. Weil er ja nicht rein durfte, weil er ja nicht rein, also schmutzig war.

So. Da war natürlich das Gespött in Gange. "Was treibst du dich auch so lange herum", hat Mama da gesagt, "was sollen die Leute denken? Musst du dich in die Begräbnisrituale anderer Menschen einmischen?"

Wie immer, wenn Mama und Papa stritten, rannte ich raus. Und hielt mir die Ohren zu. „Wenn die sich mal nicht bald scheiden lassen!“, dachte ich mir. Aber weit gefehlt.

Weiter hinten, in Ekbatana, das ist in Medien, falls du das nicht weißt, heulte gerade Sara, meine Zukünftige, weil ihr schon wieder ein Bräutigam unterm Laken weggestorben war.

Und Papa war plötzlich ganz arm. Das hatte zwar keinen Zusammenhang, aber es war halt so.

So. Jetzt kommt meine große Stunde, dachte ich da. Das heißt, Papa würde mich losschicken zum Probleme lösen, weil er ja so verzweifelt war und nichts mehr sah und arm war. Aber: er traute es mir nicht zu. Er traute es mir einfach nicht zu! Er glaubte nicht einmal, dass ich alleine die paar Meter bis Medien schaffe um bei Onkel Gabael Papas Geld zurückzuholen. Hatte er da mal in Obhut gegeben, aus Angst vor den Assyrern. Die brauchen ja dauernd Geld für die Entwicklung ihrer Schrift.

So. Also nix da mit Vertrauen in den eigenen Sohn, sondern: „Junge, such dir nen starken und vor allem schlauen Kumpel!“

Na, da bin ich halt losgetrottet und dann stand schon dieser Kerl da mit der Aureole und dem Gefieder am Rücken und sagte: „Hey, keiner merkt, dass ich ein Engel bin, okay? Lass uns angeln gehen.“

Und ich: „Angeln, ist jetzt gerade nicht das, worauf ich abfahre!“

Aber da hatte ich eben dann plötzlich diesen Fisch in der Hand. Und dann sind wir Probleme lösen gegangen.

Medien ist echt abgefahren. Schroffe Landschaft da und schroffe Frauen. Eine war sogar vom Teufel, also Asmodai in diesem Falle, besessen. Und die sollte ich heiraten.

Ekbatana - krasse Stadt, krasse Leute, krasse Sara. Aber der Fisch, den mir Rafael da an Land gezogen hatte, half tatsächlich Asmodai zu vertreiben, stank aber auch wirklich bestialisch, die Innereien so direkt ins Feuer!

So. Asmodai weg, Sara wieder zahm, kein Dämon mehr, kein toter Mann im Hochzeitsbett!

Ja, dann große Hochzeitsparty und Raphael, so hieß der Flügelmann mit der Aureole, hat es sogar geschafft, die ganze medische Sippschaft nach Ekbatana zu locken, samt Geld. Da hätten sie ja gleich selbst losziehen können um Papa Kohle zu bringen. Sara war glücklich. Ihre erste Hochzeitsnacht ohne Tote. Kann man ja auch glücklich sein.

Bevor die Perser uns zu Hause in Ninive einen Strich durch die ganze Heilsgeschichte ziehen konnten, hatte ich natürlich noch das Geld von Saras Papa zu Papa zu bringen, ihm den Rest des Fisches unter die Augen zu reiben, damit er wieder sehen konnte, dann mit Sara ein paar Kinder zu zeugen, Papa Tobit und Mama zu beerdigen und dann ab zurück nach Ekbatana. Krasse Stadt, krasses Volk. Super Fischrezepte!

 

Ich werde leicht. Ich werde leicht. Ich werde schwebend leicht. Mein Körper hebt sich durch die Zeit.

 

Was hat nur der Prediger, der Dorfpriester sich dabei gedacht meinen Eltern so einen Namen vorzuschlagen. Tobias? „Mein Gut allein ist Gott!“ Eigentlich ein Verlierertyp, dem nicht mal der Papa genug vertraut, und der nur in der Fremde glücklich werden kann.

Ich bin jedenfalls nicht Tobias. Jedenfalls nicht der da unten aus Ninive.

 


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