Erzählungen

Ein kurzer Ausflug in den Schnee der vorigen Tage

Ich weiß eine Geschichte zu erzählen, die ich selbst erlebt habe, als ich noch etwas jünger war, fast noch ein Kind.

Ich war mit einem Freund zu Besuch bei meiner Tante. Mit ihr unternahmen wir eine Fahrt in die Berge. Es war Winter und man konnte vor lauter Weiß nur wenige Konturen der Landschaft erkennen. Auch als wir auf einen Berg stiegen, konnte man kaum wahrnehmen, dass der Weg steil bergauf ging, alles war eine weiße Ebene. Nur die mühsame Anstrengung des Aufstiegs machte uns die wahre Beschaffenheit des Geländes deutlich.

Wir waren schnell erschöpft. Meine Tante wollte deshalb auf einer Berghütte eine Stärkung zu sich nehmen. Wir Kinder jedoch erholten uns schneller. So gingen wir wieder hinaus in das freie Weiß und rannten mal in die eine, mal in die andere Richtung, bis wir in einem Schneeberg versanken, aus dem wir uns nur sehr langsam wieder befreien konnten. Zu unserer Verwunderung konnten wir die Berghütte nicht mehr sehen. Sie hatte sich im Weiß der Landschaft aufgelöst. Wir mussten suchen, doch blieb die Suche erfolglos. Immer weiter stiefelten wir durch den Schnee, bis wir an den Rand des Bergplateaus gelangten, an dem es nur noch nach allen Seiten abwärts ging. Als wir uns gerade entschlossen hatten ins Tal zurückzukehren, löste sich eine Lawine unter unseren Füßen, wir stürzten mit ihr ins Tal. Mein Freund brach sich dabei den Arm, mir riss ein Stein eine tiefe Wunde in die Haut. Mit einem nassen, alten Taschentuch konnte ich das Blut einigermaßen stillen.

Rings um uns hatte sich die Landschaft verändert. Wo eben noch alles weiß war, sah man jetzt nur noch grauen Schneematsch, in den wir bei jedem Schritt knöcheltief einsanken. Wir kamen so nur schwer vorwärts. Doch hatten wir unser Ziel schon ins Auge gefasst. Das Dorf in dem wir auch unsere Unterkunft vermuteten lag in Sichtweite vor uns. Wir schafften es dennoch nicht bis zum Einbruch der Nacht in diesem Dorf anzukommen. Es schien, als würde die Bevölkerung samt ihrer Häuser mit jedem unserer Schritte Abstand zu uns nehmen wollen.

Wir waren also gezwungen hier im Matsch aus Schnee und lehmigem Boden zu übernachten. Holz gab es keines aus dem man sich einen Unterschlupf hätte bauen können. So gruben wir uns in die schmierige Erde ein und schliefen sehr tief und lange, bis uns die Hitze des Morgens weckte. Es war keine gute Idee so zu übernachten, denn bei meinem Freund hatte sich der Arm beim Ausgraben weiter entstellt, in meine offene Wunde war der Schlamm eingedrungen und brannte sich nun eiterbildend immer tiefer. Nun am Morgen machte uns zudem die Hitze des engen Tales zu schaffen. Alles flimmerte vor unseren Augen. Das Dorf war nicht mehr zu sehen. Es muss die Gelegenheit der Nacht genutzt haben, sich heimlich ganz von uns zu entfernen.

Dann tauchten einige Gestalten vor uns auf. Wir hofften auf Hilfe, doch uns erreichte das Gegenteil. Ohne einen ersichtlichen Grund schlug man uns brutal zusammen. Wir, als wehrlose Kinder hatten keine Chance uns der überlegenen Gruppe zu widersetzen. Man schlug uns bis wir bewusstlos waren. blut- und schlammverschmiert am ganzen Körper wachten wir aus der Ohnmacht auf.

Wir konnten uns kaum besinnen, als wir plötzlich von einem Baufahrzeug angehoben und auf die Ladefläche eines LKW gekippt wurden. Das Tal raste an uns vorbei. Alles, was man noch wahrnehmen konnte, war der blaue Himmel über den Bergen. Irgendwann war auch das Tal zu Ende und wir kamen in eine große Ebene, die dicht mit Sträuchern aller Art bewachsen war. Der Weg jedoch, auf dem der LKW fuhr wurde immer enger, die Sträucher standen so dicht, dass sie am Lack des Fahrzeugs und an unserer Haut entlangkratzten. Dies war kein Grund für den Fahrer das Tempo zu verlangsamen, im Gegenteil, ihn schien das Knacken und Schlagen der Äste Freude zu bereiten.

Irgendwann wachte wir in Mitten von Schutt und Müll auf. Weder mein Freund noch ich waren fähig aufzustehen, so sehr schmerzten uns unsere Wunden. Die Strapazen der Reise hatten uns zudem müde gemacht, so dass wir uns nur kurze Zeit wach halten konnten.

Mitten in der Nacht wachten wir auf, wir zitterten, es war bitterkalt, um die Dreckkruste auf unserer Haut hatte sich eine zarte Eisschicht gebildet. Wir suchten nach brennbaren Gegenständen, doch hatten wir kein Feuer. Der Mond warf ein kaltes Licht auf uns und es schien als sollten wir hier erfrieren.

Doch es kamen Männer die uns aufsammelten, wütend schlugen und unter fortwährender Beschimpfung bei meiner Tante, die unbesorgt nach Hause gefahren war, ablieferten. Ohne einen Kommentar bereitete sie uns ein Bad, setzte uns, obwohl wir schrien, weil das Wasser zu heiß war, hinein. Nach dem Bad, gab es nichts zu essen, aus Strafe für unser langes Fernbleiben. Bis heute weiß ich nicht, wie lange das war.



Wombo-Schlagworte: weinendes + Kind + im + Schnee, Style: Steampunk